Gedanken zum Wochenabschnitt (17.12.2022)

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Gedanken zum Wochenabschnitt 

Wer möchte nicht gerne ein sorgloses Leben in Ruhe verbringen? Gerade in krisengeschüttelten Zeiten gehört dieses Anliegen oft zu den höchsten Prioritäten. 


Auch unser Vorvater Jaakov wünschte sich zu Beginn unseres Wochenabschnittes nach Jahrzehnten der enormen Herausforderungen genau dies: “ Und Jaakov wohnte” (1. Buch Moses 37, 1) – “Jaakov wollte in Ruhe wohnen, da überfiel ihn die Aufregung um Josef – die Frommen möchten alle in Ruhe wohnen, da spricht der Heilige, gelobt sei Er: Genügt den Frommen nicht, was für sie in der zukünftigen Welt bereit ist, dass sie schon in dieser Welt in Ruhe wohnen wollen?” (Raschi dort)


Vom Moment an, da der Mensch in Ruhe und Wohlstand ein sorgenloses Leben führt, wird er anfällig, anfällig dafür, seine wahren Ziele, seine wirkliche Aufgabe auf dieser Welt aus den Augen zu verlieren. Seine Werte verändern sich zuweilen, manchmal bis hin zur Überzeugung, das irdische Leben, Materialismus und Wohlstand der Zweck seines Bestehens seien. 
Diese himmlische Botschaft geht nicht spurlos an Jaakov vorbei. Als er 22 Jahre darauf mit seiner ganzen Familie nach Ägypten hinabzog und Pharao vorstellig wurde, trafen zwei völlig verschiedene Welten aufeinander: Die Welt von Jaakov, durchdrungen von g”ttlicher Bestimmung und spirituellem Streben, und diejenige Pharaos und Ägyptens, nach Materialismus ausgerichtet und von ihm beherrscht. 


Von einem historischen Zusammentreffen solcher Gegensätzlichkeiten wäre eine tiefgreifende Debatte zwischen den beiden zu erwarten. Nichts dergleichen jedoch geschah, stattdessen ein recht kurzes und trivial anmutendes Gespräch. Pharao fragte: (dort 47, 8-9) “Wieviel sind die Tage deiner Lebensjahre?” Jaakov antwortete: “Die Tage meines Pilgerjahre sind 130 Jahre, wenig und trübe waren die Tage meiner Lebensjahre, und reichen nicht an die Tage der Lebensjahre meiner Väter in der Zeit ihrer Pilgerschaft.”
Worauf Jaakov Pharao segnete und ihn verliess. Ist das alles?


Nein, denn das eigentliche Gespräch befindet sich zwischen den Zeilen! Jaakov bedient sich einer besonderen Bezeichnung für „Leben“: die Jahre der Pilgerschaft. Darin verbirgt sich die eigentliche Botschaft an Pharao: `Was du als Leben bezeichnest und für das wahre Leben hälst, ist in Wirklichkeit eine Pilgerschaft, vorübergehend. “שני מגורים“ – Wie גרים, Fremde, sind wir bloß auf der Wanderung, auf dem Wege zu einem höheren Ziel. Dieses, das wirkliche Leben, die Aufgabe, Bestimmung und spirituelle Verwirklichung unseres Seins, das ist חיים – Leben. Und zu diesem muss ich dir mitteilen: מעט ורעים היו ימי שני חיי – wenig und schlecht bin ich im geistigen Leben vorangekommen, und reiche nicht an die Stufe des geistigen Lebens meiner Väter heran, die sie im Verlaufe ihrer Pilgerjahre hier auf Erden erreicht haben! `

Ob Pharao diese Botschaft verstanden und sich zu Herzen genommen hat, bleibt uns verborgen. Wir aber, die Kinder Jaakovs-Israels, uns gibt sie zeitlose Orientierung und Halt. 
Rabbiner Jaron Engelmayer