Gedanken zum Wochenabschnitt  (20.01.2023)

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Eine große Vision steht zu Beginn des Wochenabschnittes, über den Auszug aus Ägypten, die Aufnahme der g”ttlichen Bestimmung und den Einzug ins Versprochene Land. Mit ihr wird das Ende der Jahrhunderte währenden Unterdrückung und grausamen Versklavung eingeläutet und die gleich darauf einsetzenden Zehn Plagen eingeleitet.

Erstaunlicherweise schiebt sich da eine ganze Genealogie dazwischen, welche recht unvermittelt über 12 Sätze hinweg die Abstammung der ersten drei der zwölf Stämme, Reuwen, Schimon und Levi, aufzählt, um dann den Faden der Ereignisse wieder aufzunehmen (2. Buch Moses 6, 14-28). Die Kommentatoren wundern sich über diesen Einschub: warum ausgerechnet an dieser Stelle, den Verlauf der Dinge so abrupt unterbrechend? Und warum werden nur die ersten drei Stämme aufgezählt und die anderen wegignoriert? 

Raschi (dort 14) bringt zwei Erklärungen hierfür an: Offensichtlich sollen Mosche und Aharon, welche nun als Hauptakteure in den Vordergrund treten, in den familiären Kontext eingestuft werden können. Jedoch braucht es hierfür bloß den Stamm Levi, aus welchem sie hervorkamen, wozu also auch Reuwen und Schimon? Dies begründet Raschi mit der zweiten Erklärung, dass diese drei Stämme vom Vorvater Jaakov statt gesegnet vor allem gerügt wurden (1. Buch Moses 49, 1-7), weshalb an dieser Stelle wieder auf ihre wesentliche und unabdingbare Bedeutung für das israelitische Volk verwiesen werden soll.

Besonders pikant und bemerkenswert jedoch kommt die außergewöhnliche Erklärung des Rabbi Simcha Meir von Dwinsk in seinem Kommentar Meschech Chochma daher: “Diese drei Stämme übten in Ägypten Herrschaft aus, deshalb mussten sie an dieser Stelle auf ihre Abstammung bezogen werden. Denn der Midrasch Mechilta führt an, dass die Israeliten wegen vier Dingen aus Ägypten erlöst wurden: sie veränderten nicht ihre Namen, ihre Sprache und ihre Kleidung, und sie verhielten sich wie ein eigenständiges Volk, als Fremde, da sie die Erlösung G”ttes erwarteten und ihrem Anteil am Versprochenen Land (Israel) entgegenblickten. Diese drei Stämme jedoch, welche von Jaakov gerügt wurden, wären sie wie ihre Brüder versklavt gewesen, hätten sie sich vollkommen unter die Ägypter gemischt und hätten angenommen, keinen Anteil mehr am Erbe Israels zu haben. Deshalb hat die Vorsehung sie davon abgehalten, mit Lehm und Ziegel versklavt zu werden.”

Laut dem Meschech Chochma waren diese drei Stämme also besonders gefährdet, sich den Ägyptern vollkommen zu assimilieren, und damit ihren Anteil am Erbe Israels, sowohl das geistige, als auch das physische im Land Israel, zu verlieren. Einen Preis mussten sie jedenfalls dafür bezahlen: Reuwen erhielt sein Erbe nur jenseits des Jordanflusses und nicht im Stammland Israels, und Schimon und Levi erhielten keine eigenständigen Landstriche als Erbe.

Nur die g”ttliche Vorsehung hielt sie von der Assimilation ab, damit sie nicht ganz verloren gehen, sondern weiterhin dem Volk und Land Israel, sowie der g”ttlichen Bestimmung, erhalten blieben.      

Rabbiner Jaron Engelmayer