Gedanken zum Wochenabschnitt (19.11.2022)

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Gedanken zum Wochenabschnitt

10 Prüfungen hatte unser Vorvater Awraham zu bestehen, und bestand alle mit Bravour, so bezeugt die Mischnah in den Sprüchen der Väter (5, 4). Der Midrasch Tanchuma sieht die erste Prüfung in den Worten “Lech lecha”, als G”tt Awraham aufforderte, sein Elternhaus und seine Geburtsstätte zu verlassen, um das Land Kenaan aufzusuchen, und die letzte Prüfung wiederum in den Worten “Lech lecha”, mit welchen G”tt Awraham aufforderte, seinen Sohn Jizchak als Opfer zu binden. 
 
Die meisten Kommentatoren folgen dem Midrasch in der Auffassung, dass die Akedat Jizchak die zehnte und letzte der besagten Prüfungen Awrahams war. Nicht so Rabbenu Jona, welcher erst in den Ereignissen zu Beginn unseres Wochenabschnittes die abschließende Prüfung erkennt, als Awraham sich mit dem Tod seiner geliebten Frau Sarah konfrontiert sah und für sie eine Grabstätte in Chewron erwarb. 
 
Diese Erklärung lässt einige Fragen offen: Warum sollte diese Begebenheit für Awraham eine Prüfung sein, handelt es sich doch um eine recht alltägliche Situation, mit welcher viele Menschen konfrontiert sind? Und dazu noch die letzte, und somit offensichtlich schwerste Prüfung? Für Awraham, welcher von Beginn seines Weges an doch viel schwierigere Situation meisterte – sich in einen Feuerofen werfen ließ, gegen Könige in den Krieg zog, sich mit 99 der Beschneidung unterzog, und schließlich sogar die Bereitschaft zeigte, seinen über alles geliebten Sohn Jizchak zu opfern? 
 
Doch gilt zu bedenken, dass Awraham eigentlich schon längst und mehrfach von G”tt das ganze Land Kenaan versprochen wurde. Und nun bräuchte er doch nur ein kleines Stück Land, gerade genug um seine Frau zu beerdigen. Dennoch ist er gezwungen, sich auf komplizierte Verhandlungen einzulassen, in aller Öffentlichkeit, mit wiederholten Floskeln der Höflichkeit und des erklärten Anliegens vor Efron, dem Hethiter. Und das alles angesichts des offensichtlich dringenden und unumgänglichen Bedarfes, Sarah baldmöglichst zu bestatten. Trotzdem verliert Awraham zu keinem Zeitpunkt seine Engelsgeduld, seine außerordentliche Höflichkeit, und stellt sich den Verhandlungen bis zu ihrem für ihn völlig überteuerten Ende. Und dies ohne den Anflug von Zweifel oder Vorwurf gegen G”tt, ihn trotz aller Versprechen solch eine Situation über sich ergehen lassen zu müssen.
 
Ausgerechnet jetzt, nach all den anderen Prüfungen, der übermenschlichen Größe und der offenen g”ttlichen Anerkennung seines heldenhaften G”ttesvertrauen in höchsten Ebenen zeigt Awraham, wie eine vielleicht noch viel schwierigere Herausforderung mit Größe zu meistern ist: den täglichen menschlichen Anforderungen und Schwierigkeiten trotz g”ttlicher Erhabenheit mit größter Geduld, Bescheidenheit und Zurückhaltung zu begegnen.