Gedanken zum Wochenabschnitt (15.10.2022)

Entdecke die Gedanken zum aktuellen Wochenabschnitt von Rabbiner Jaron Engelmayer!
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In jüdischen Gemeinden der ganzen Welt ist es üblich, während der Gottesdienste am Montag, Donnerstag und Samstag den wöchentlicher Tora-Abschnitt zu lesen, den Paraschat HaSchawua (hebräisch: פָּרָשַׁת הַשָּׁבוּעַ), (kurz Parascha). Der Name des Abschnitts ist das erste Wort des Verses. Der Parascha besteht aus einem bestimmten Abschnitt der Tora (Fünf Bücher Mose), der in der jüdischen Liturgie während einer bestimmten Woche verwendet wird. Es gibt 54 Parascha, der gesamte Zyklus wird im Laufe eines jüdischen Jahres gelesen, beginnend mit dem Fest Simchat-Torah, an welchem das Ende und auch gleich wieder der Anfang der Heiligen Schrift gelesen wird. Auf diese Weise kommt die Lesung nie zu einem Ende. Der Parasha inkludiert auch einen Abschnitt aus dem Prophethen (Nevi’im), eine thematisch oft ähnliche Lesung (genannt Haftara).

Sukkot 5783   
20. Tischrei 5783 – 15.10.2022 

Gedanken zum Wochenabschnitt

Die Uschpisin – die »Himmlischen Gäste«, gleichzeitig auch national-historische Vorbilder – begleiten uns an jedem der Sukkot-Tage und charakterisieren ihren jeweiligen Tag auf besondere Weise, was der Sfat Emet, Rabbi Yehuda Arye Leib Alter, speziell ausführt. 

So bezeichnete sich Awraham selbst als »Fremden und Einwohner« unter der Bevölkerung des Landes (1. Buch Mose 23,4). Die Vorväter und -mütter wandelten gleichfalls wie fremde Mitbewohner auf Erden, und zwar auf himmlischen Pfaden, wo sie ewige Spuren hinterließen. Und indem ihre Nachkommen sich in provisorische Behausungen – »Dirat araj« – in Form von Laubhütten begeben, wandeln auch sie auf ihren Wegen, erhalten ihre himmlische Unterstützung sowie Kraft und nehmen ihr verborgenes Licht auf. 

Von Awraham lernen wir, alles hinter sich zu lassen, um G’ttes Worten zu folgen. Also taten es ihm die Israeliten gleich, als sie aus Ägypten zogen, um G’tt in die Wüste zu folgen, vom Propheten Jirmijahu höchst gepriesen (2, 2). Von Jitzchak erhalten wir die G’ttesfurcht, wie an Jom Kippur – eine der Voraussetzungen für eine reine Freude zu Sukkot. Jaakow war der erste, der selbst Laubhütten errichtete (1. Buch Mose 33,17) und darin um sich die Kinder Israels versammelte. 

Die Laubhütte sollte zudem Platz für jeden seiner Nachkommen bieten, wie es heißt: »Alle Einwohner Israels sollen in Laubhütten wohnen« (3. Buch Mose 23,42). Anders gelesen auch: »… sollen in einer Laubhütte wohnen« (chasser, ohne „waw“ wie Singular geschrieben,) was bedeuten würde, dass alle zusammen in einer einzigen Laubhütte. Das ist natürlich nur dann möglich, wenn es sich dabei um eine besonders lange und breite Sukkah handelt (Talmud, Sukkah 27b). 

Josef sammelte – wie es später zur Zeit des Laubhüttenfestes getan wird – das Getreide der sieben fetten Jahre und sicherte so die Ernährung und das Überleben nicht nur seiner Brüder, sondern aller Bewohner der umliegenden Länder. Dabei war er sich stets bewusst, dass seine Begabungen, die ihn in diese Position brachten, ausschließlich von G’tt kamen (1. Buch Mose 41,16). 

Mosche dagegen lehrt uns die Bescheidenheit, die einem Leben in der Laubhütte zugrunde liegt. Sie ist zugleich die Quelle unserer Freude auf Wesentlicheres als das rein materielle Vergnügen, worunter wir das Erleben von Gemeinschaftsgefühl, von himmlischer Güte sowie von spirituellem Beisammensein und gegenseitiger Wertschätzung verstehen. 

Dank der Verdienste Aharons war das Volk Israel in der Wüste von den schützenden g’ttlichen Wolken umgeben – auch daran sollen die Laubhütten erinnern. Weil er sich stets um Frieden bemühte und dafür einsetzte, bitten wir in unseren Gebeten jeden Freitagabend, dass G’tt über uns die »Sukkat Schalom« – die Hütte des Friedens – ausbreiten möge. 

König David schließlich steht, so Rabbi Yehuda Arye Leib Alter, als Vorbild für einen Baal Teschuwa, einen Büßer, der zu seiner Sünde ohne Wenn und Aber steht und für sie die volle Verantwortung in Reue übernimmt, obwohl er als König Oberhaupt des Volkes war und eigentlich »nur« G’tt gegenüber Rechenschaft ablegen musste. Sein Weg zeigt, dass alles repariert werden kann. Er bereitete den Weg für den Bau des Tempels, sorgte für die Einheit des Volkes Israel rund um das spirituelle Zentrum in Jerusalem. So fügen wir dem Tischgebet in den Tagen von Sukkot hinzu: »Erbarmungsvoller, möge Er die Sukkat David – die gefallene Hütte Davids – wiedererrichten.« 

Auf diese Weise lassen wir uns von den Uschpisin täglich inspirieren.

Rabbiner Jaron Engelmayer